Für 2021 wurde das Victoria eAdventure 12.9 rund um den brandneuen Shimano Steps EP8 Antrieb neu entwickelt und stellt damit das Top-Modell der Baureihe dar. Auch bei den anderen Komponenten scheuten sich die Macher nicht vor dem Griff ins oberste Regal und haben damit auf dem Papier ein äußerst hochwertiges Pedelec auf die Räder gestellt. Halten die Modelle aber, was die Daten versprechen? In unserem Doppeltest finden wir es heraus!
Victoria eAdventure 12.9 – wie aus dem Vollen gefräst
Schon beim ersten Kontakt mit den Modellen bestätigte sich der hochwertige Eindruck, den die E-Bikes laut den Bildern und der Ausstattungsliste erwarten ließen. Sehr einfach konnte man die Pedelecs auch dank verstellbarem Vorbau von Ergotec auf die benötigte Position einstellen, so dass einem ausgiebigen Test kaum noch etwas entgegen stehen konnte.
Die desert grey matt / anthracite genannte Farbgebung folgt aktuellen Trends und wird nur durch minimale Decals unterbrochen, von denen der “Victoria” Schriftzug noch der größte ist. Das schlichte Design unterstreicht dabei den Premiumanspruch der Modelle und sollte auch nach längerer Nutzung nicht “aus der Mode” kommen.
Antrieb & Ausdauer
Auch erste herbstliche Ausläufer hielten uns daher nicht von einer ersten Ausfahrt ab, wobei der neuen Shimano EP8 sich sogleich in Sachen Geräuschentwicklung beweisen konnte. Nach einer kurzen Testfahrt im Sommer auf den Isartrails, waren wir auf eine längere Fahrt mit Shimanos neuestem Antrieb gespannt.
Bei wenig Last ist der Nachfolger des Shimano E8000-Antriebs dann auch kaum zu hören und liegt damit ungefähr auf dem Niveau des E7000-Motors, was im direkten Vergleich als deutlicher Fortschritt wahrgenommen wird.
An steilen Anstiegen und bei hoher Last wird der Motor aber dennoch hörbar, wobei bei unseren Testbikes laut Anzeige auf dem Display nur in unteren Kadenzen die volle Power von 85 Newtonmetern auf die Kette gebracht wurde. Auch ein Überschreiten der 25-km/h-Grenze aus eigener Kraft ist möglich, wobei man aber das etwas höhere Gewicht des E-Bikes merkt. Der Antrieb bremst jedenfalls nicht.
Auf Nachfrage bei Victoria teilte man uns mit, dass die EP8-Antriebe quasi out-of-the-box in den Testrädern verbaut wurden und noch keine Abstimmung seitens Victoria vorgenommen wurde. Blöd ist, dass der Antrieb immer noch im Off-Modus startet und sich somit immer noch nicht die letzte Fahrstufe merken kann.
In der Serie würde die Leistungsabgabe laut Victoria dann anders aussehen. Leider wird noch ein Speichenmagnet verwendet, obwohl es gerade bei Shimano bereits gute Möglichkeiten für eine Variante mit Sensor in der Bremsscheibe und Sensor am Ausfallende gibt. Hier sollten alle Hersteller unbedingt diesen Weg gehen, um eine Fehleranfälligkeit von vornherein auszuschließen.
Beide Modelle sind mit dem großen Akku von Shimano mit 630 Wh ausgerüstet und sollten demnach auch größere Strecken am Stück ohne Nachladen zurücklegen können. Im Test fuhren wir oft im Trail-, meistens aber im Boost-Modus, was die Reichweite auf rund 55 Kilometer drückte. Das lag nicht zuletzt an den zahlreichen Anstiegen, die wir unter die Räder nahmen, vielleicht aber auch an oben beschriebener Software-Abstimmung.
Realistisch sollte man eine Reichweite von knapp 100 Kilometern annehmen, wenn ein Mix aus ebenen und moderat ansteigenden Passagen abgefahren wird. Bergab geht es natürlich auch manchmal…
Im Eco-Modus kann man den Radius natürlich noch deutlich erweitern, was aber dann mehr Kraft seitens des Fahrers kostet. Hier sind unserer Ansicht nach 140 Kilometer drin. Mit dem mitgelieferten Ladegerät ist ein Aufladen des komplett leeren Akkus in bis zu 6 h möglich.
Das mittig auf dem Vorbau platzierte Shimano SC-E6100 Display ist ein alter Bekannter, kann aber in Verbindung mit dem EP800-Motor auch zwei Profile anbieten, hinter denen sich dann unterschiedliche Einstellungen verbergen können.
Ansonsten zeigt das Display die üblichen Informationen an, wobei die Berechnungen zur restlichen Reichweite relativ ungedämpft erfolgen. Ob sich das System hier über einen längeren Zeitraum adaptierten muss, um dies zu verbessern, konnten wir im Test nicht herausfinden.
Ausstattung & Fahrverhalten
Das Team von Victoria hat alles unternommen, um das hier von uns in zwei Rahmenformen getestete E-Bike auch in Sachen Komponentenauswahl an der Spitze zu platzieren. So stattet man das Modell mit einer Shimano Deore XT Schaltung mit derzeit angesagten 12 Gängen und einer Bandbreite von 510 Prozent mittels Sunrace Kassette aus. Diese passt bestens zum Antrieb und brachte den Fahrer nie in Verlegenheit, wenn es darum ging, den jeweils passenden Gang zu finden.
Auch in Sachen Bremsen vertraut man hier auf Bauteile aus Shimanos Deore XT Serie, wobei dabei erfreulicherweise werkzeuglos einstellbare Bremshebel zum Einsatz kommen. So kann man die Weite der Bremshebel einfach regulieren, um dann die Bremskraft optimal auf die Bremsscheiben mit 180 mm Durchmesser vorne und 160 mm hinten dosieren zu können.
Das Modell, welches sich überaus wertig anfühlt, woran nicht zuletzt der mit Contec “Tour Wing” bestückte Ergotec Lenker verantwortlich ist. Dieser lässt sich dank verstellbarem Ergotec Vorbau auch einfach an seine Vorlieben anpassen, was im Zusammenspiel mit der Justierung der Sattelhöhe erfolgen sollte.
Hier setzt Victoria ebenfalls auf ein Modell von Ergotec, wobei die gefederte “SP10” in unserem Test an beiden Modellen nicht optimal gearbeitet hat. Ob wir dies mittels einer horizontalen Verschiebung der Sattelposition noch hätten beheben können, oder ob dies am vorgegebenen Winkel des Sattelrohrs gelegen hat, vermögen wir nicht zu sagen. Eine kurzfristige Veränderung der Sitzposition während der Fahrt brachte jedenfalls kaum eine Abhilfe.
Die vordere Federgabel von SR Suntour arbeitete da besser und dämpfte die meisten Unebenheiten schön weg, wobei hieran auch die Schwalbe Smart Sam Plus Reifen ihren Anteil hatten. Diese überzeugen (aus eigener Erfahrung über Tausende von Kilometern) mit guten Grip, gutem Pannenschutz und auch akzeptablem Verschleiß. Die Reifen sind auf jeden Fall eine gute Wahl für den Anspruch des E-Bikes, welches auch auf unbefestigten Wegen damit gut vorwärts kommt.
Bei der Fahrt in Kurven oder über Unebenheiten fühlte sich der Rahmen niemals instabil an, weder beim Modell mit Herrenrahmen, aber im Speziellen auch nicht bei der Tiefeinsteiger-Variante. Ein gefährliches Aufschaukeln des Tiefeinsteigers bei schneller Bergabfahrt konnte trotz Beladung am Gepäckträger nicht aktiv provoziert werden, was ein sehr gutes Zeichen ist.
Apropos Gepäckträger: Hier verbaut Victoria ein Modell mit MIK-System, welches die Montage verschiedenster Körbe und Taschen erlaubt und sich damit sehr praktisch zeigt. Daran hat man eine Rückleuchte mit Bremslicht seiner Eigenmarke Contec verbaut, die sehr gut funktioniert und die wir schon im letzten Test eines Victoria Pedelecs gelobt hatten.
An der Front kommt mit dem Contec Dlux 120 E+ ein sehr heller Scheinwerfer zum Einsatz, der sich bei aktivierter Lichtanlage automatisch je nach Dunkelheit einschaltet. Leider besitzt er kein Tagfahrlicht, sondern nur den üblichen Reflektor, so dass man zeitweise bei Durchfahrten am Tag im Wald doch eher schlecht gesehen werden könnte. Warum man hier nicht von vornherein auf ein derzeit übliches Tagfahrlicht setzt, verstehen wir nicht.
Die verbaute Klingel ist schön klein, allerdings arbeitete sie an beiden Modellen auch sehr leise. Man war schon hinter direkt hinter den Fußgängern, bevor diese darauf aufmerksam wurden, wenn überhaupt. Auf Nachfrage teilte man uns seitens Victoria mit, dass hier seitens des Lieferanten jeweils Gummiringe als Abstandshalter vergessen wurden, was die Fehlfunktion erklären soll.
Änderungen gegenüber vorigen Modellen des Herstellers wurden auch in Sachen Rahmenschloss vorgenommen, welches nun von Abus bezogen wird und trotz feststeckendem, geraden Schlüssel während der Fahrt nicht mehr stört. Das Asus Pro Shield Plus erlaubt eine gleichzeitige Nutzung von Rahmenschloss mit zusätzlichem Einsteckkabel oder -kette, was die Sicherheit deutlich erhöhen kann.
Positiv fallen auch die stabilen Schutzbleche von Curana auf, die hinten noch für die Führung des Stromkabels für das Rücklicht dienen und am hinteren Ende sogar einen Schmutzfänger aufweisen. Das zeugt von einem sehr durchdachten Aufbau des E-Bikes und wird noch von einem stabilen, einfach verstellbaren Hinterbauständer von Ursus ergänzt.
- leiser, starker Antrieb
- hohe Reichweite
- stabiler Rahmen
- hochwertige Verarbeitung
- Schaltung mit hoher Bandbreite
- gute Bremsen mit verstellbaren Bremsgriffen
- helle LED-Beleuchtung
- robuste, vielseitige Reifen
- bequemer Sattel
- jeweils Montagepunkt für Flaschenhalter
- stabiler Gepäckträger mit MIK-System
- stabile Schutzbleche
- gut nutzbares Schloss
- robuster Seitenständer
- Motorabstimmung nicht optimal (Vorserie!)
- Speichenmagnet
- Klingel zu leise
- Federsattelstütze suboptimal
Victoria eAdventure 12.9
Motor: Shimano EP8, 250 W, 85 Nm
Batterie: Shimano BT-E8036, 630 Wh
Display: Shimano SC-E6100 LCD
Rahmen: Aluminium 6061
Gabel: Suntour SF18-MOBIE25 LOR Coil AH2, 75mm
Schaltung: Shimano Deore XT, 1×12
Bremsen: Shimano BR-MT, 420/410, 180/160 v/h
Sattelstütze: Ergotec Patent “SP10”, gefedert, Ø 27,2 mm, Alu
Sattel: Selle Royal Essenza Italy
Laufräder: Hohlkammer X-17 DISC, Alu
Reifen: Schwalbe Smart Sam Plus, 57-584, Reflex, v/h
Gewicht: n/a
zul. Gesamtgewicht: 140 kg
Preis: 3.999 EUR
Transparenzhinweis: Beide Victoria eAdventure 12.9 Modelle wurden uns seitens der Hermann Hartje KG für den Testzeitraum kostenlos zur Verfügung gestellt. Auf das Testergebnis und unsere Meinung hatte dies keinen Einfluss.